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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 116/06
Rechtsgebiete: GKG, ZPO
Vorschriften:
GKG § 42 Abs. 4 | |
ZPO § 3 | |
ZPO § 5 |
Wird neben einer Kündigungsschutzklage Vergütung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist eingeklagt, so werden die ersten 3 Monate wegen wirtschaftlicher Identität mit dem Feststellungsantrag nicht wertmäßig berücksichtigt.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss
Aktenzeichen: 2 Ta 116/06
Im Beschwerdeverfahren
betr. Wertfestsetzung pp.
Tenor:
Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22.5.2006 - 3 Ca 289/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Beschwerdeführer.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Klägervertreter erstrebt mit seiner Beschwerde eine höhere Wertfestsetzung.
Der Kläger hat am 6.2.2006 Klage erhoben, mit der er begehrte:
- Feststellung dass das seit dem 1.1.2005 bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 17.1.2006 nicht aufgelöst sei
- dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Tatbestände ende
- Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung und
- Zahlung von 4.700 EUR Quartalsbonus IV 2005 und Halbjahresbonus für das 2. Halbjahr 2005.
Am 4.4.2006 hat der Kläger die Klage erweitert um:
- Zahlung weiterer 2.397,75 EUR brutto Gehalt für 01/2006
- Zahlung weiterer 4.061,75 EUR brutto Gehalt für 02/2006
- Erteilung von Auskunft über die in den Monaten Jan. und Feb. 2006 verdienten Provisionen und Prämienzahlungen
- Auszahlung der sich nach Auskunftserteilung ergebenden Provisionen, sofern sie monatlich 700 EUR übersteigen.
Die Vergütung des Klägers betrug durchschnittlich 62.642,70 EUR jährlich.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.5.2006 festgestellt, dass ein Vergleich mit folgendem Inhalt zustande gekommen sei:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung der Beklagten am 31.01.2006 geendet hat.
2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.01.2006 vertragsgemäß ab. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger neben dem Bruttogehalt für die Zeit vom 17.01. bis 31.01.2006 ein anteiliger Betrag von EUR 136,00 brutto für die Nichtgewährung des Dienstwagens sowie ein Betrag von EUR 292,00 für anteilige Provision aus Januar 2006 zustehen.
3. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger als Bonus für das zweite Halbjahr 2005 und das vierte Quartal 2005 EUR 4.750,00 brutto zu zahlen.
4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein berufsförderndes, qualifiziertes Zeugnis mit dem als Anlage beigefügten Inhalt.
5. Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis, seiner Beendigung und diesem Rechtsstreit erledigt.
Der Klägervertreter hat beantragt, den Streitwert für das gerichtliche Verfahren mit 33.819,50 EUR und den Streitwert für den Vergleich mit 36.819,50 EUR festzusetzen. Er hat geltend gemacht, der Kläger habe sich mit seiner Klage gegen seine Versetzung an eine andere Niederlassung gewendet und seinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend gemacht. Der Streitwert für diese beiden Anträge sei mit dem Monatsgrundgehalt in Höhe von jeweils 3.000,00 EUR, mithin 6.000,00 EUR zu berücksichtigen. Der Feststellungsantrag in der Klageschrift sei mit mindestens 500,00 EUR anzusetzen. Die klagerweiternden Zahlungsansprüche in Höhe von 2.397,75 EUR und 4.061,75 EUR im Schriftsatz vom 31.03.2006 seien nach ihrer Höhe zu berücksichtigen. Der Anspruch auf Abrechnung der Provision und Versicherung der Richtigkeit sei mit mindestens 500,00 EUR zu bewerten. Darüber hinaus habe der Kläger Auszahlung seiner Provisionen für das Jahr 2005 in Höhe von insgesamt 4.700,00 EUR geltend gemacht. Der Vergleich umfasse auch die von der Beklagten im Gerichtsverfahren behaupteten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.000,00 EUR, die jedoch schriftsätzlich nicht näher beziffert und daher vom Klägervertreter bei seinem Festsetzungsantrag nicht berücksichtigt worden seien. Insgesamt ergebe sich für das arbeitsgerichtliche Verfahren ein Streitwert in Höhe von 33.819,50 EUR. Über Ansprüche nach diesem Wert sei eine Einigung erzielt worden. Übersteigend erfasse der Vergleich den Inhalt eines detailliert formulierten Zeugnisses. Hier sei zusätzlich zumindest ein Monatsgrundgehalt in Höhe von 3.000,00 EUR zu berücksichtigen. Das Verfahren habe einen erheblichen zeitlichen Aufwand verursacht. Das große Interesse beider Parteien an dem Rechtsstreit hat sich darin gezeigt, dass in erheblichem Umfang schriftsätzlich vorgetragen und Unterlagen vorgelegt worden seien.
Der Beklagtenvertreter hat vorgetragen, der Kläger habe den Vierteljahresverdienst in der Klage zutreffend angegeben. Ferner seien die Zahlungsanträge aus der Klage und Klagerweiterung zu berücksichtigen. Die Klageanträge zu 7 und 8 wegen Auskunft seien allenfalls mit je EUR 250,00 zu bewerten. Rechtsverfolgungskosten, die der Beklagten im Hinblick auf das strafrechtliche Vorgehen gegen den Kläger entstehen könnten, seien zwar als Möglichkeit erwähnt worden, jedoch nicht vom Kläger gefordert worden. Sie seien auch nicht wertmäßig zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Wert festgesetzt auf 26.860 EUR, und ausgeführt, dieser errechne sich wie folgt:
Antrag zu 1.: | 15.660,-- EUR, |
Antrag zu 2.: | kein darüber hinausgehender Wert, |
Antrag zu 3.: | 5.220,-- EUR (= 1 Monatsgehalt), |
Antrag zu 4.: | 4.700,-- EUR, |
Anträge zu 5. und 6.: | keinen über den Wert d. Antrags zu Ziff. 1. hinaus gehenden Wert, wegen wirtschaftlicher Identität, |
Antrage zu 7: | 500,00 EUR |
Antrag zu 8. : | 500,-- EUR, |
Der Vergleichsmehrwert betrage 3.000,-- EUR.
Hiergegen hat der Klägervertreter am 2.6.2006 Beschwerde eingelegt, mit der er die Nichtberücksichtigung der Anträge zu 5 und 6 und die Wertfestsetzung hinsichtlich des Vergleichs beanstandet. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.
Das Arbeitsgericht hat mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 6.6.2006 den Streitwertbeschluss vom 22.05.2006 klargestellt, dass nicht der Wert des Vergleiches 3.000 EUR beträgt, sondern dass der Wert des Vergleiches den Streitwert im Übrigen, wie er für die Anträge zu 1 bis 7 mit dem Beschluss festgesetzt worden ist, um 3.000 EUR übersteigt. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Sie wird dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Klägervertreters hat nicht Erfolg. Die Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht ist hinsichtlich der Einzelpositionen nicht zu beanstanden. Allerdings ist die Addition unzutreffend erfolgt. Eine Berichtigung ist jedoch nicht geboten, da sich der Fehler hinsichtlich der Gebühren nicht auswirkt.
1. Der Antrag auf Feststellung, dass das seit dem 1.1.2005 bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 17.1.2006 nicht aufgelöst sei, ist zutreffend mit einem Vierteljahresentgelt bemessen worden, § 42 Abs. 4 GKG.
2. Der Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Tatbestände ende, sog. Schleppnetzantrag, findet bei der Wertfestsetzung nicht besondere Berücksichtigung (LAG Hamm Beschluss vom 3.2.2003 - 9 Ta 520/02 -NZA-RR 2003,321). Dieser Antrag wird vorsorglich gestellt, um spätere Folgekündigungen oder andere vorgetragene Beendigungstatbestände innerhalb der Klagefrist aufzufangen. Ihm kommt erst dann ein besonderer Wert zu, wenn sich dieser Sachverhalt realisiert. Das ist aber ersichtlich nicht der Fall. Der Kläger hat diesen Antrag in seiner Klage nicht einmal begründet.
3. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung ist zutreffend mit einem Monatsentgelt bemessen worden. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung (z.B. LAG Hessen Beschluss vom 23.4.1999 - 15/6 Ta 28/98 - NZA-RR 1999,434). Allerdings finden sich auch Stimmen, die ein Monatsentgelt als Obergrenze ansehen (LAG Berlin Beschluss vom 13.3.2001 - 17 Ta 6026/01 - NZA-RR 2001,436).
4. Der Antrag auf Zahlung von 4.700 EUR Quartalsbonus für das vierte Quartal 2005 und Halbjahresbonus für das 2. Halbjahr 2005 ist zutreffend mit dem geltend gemachten Betrag bewertet worden.
5. u. 6. Der Antrag auf Zahlung weiterer 2.397,75 EUR brutto Gehalt für 01/2006 kann aber, entgegen der Auffassung des Klägervertreters, ebenso wie der Antrag auf Zahlung weiterer 4.061,75 EUR brutto Gehalt für 02/2006 nicht gesondert berücksichtigt werden. Zwar trifft es zu, dass Zahlungsklagen grundsätzlich in Höhe des geltend gemachten Betrages zu berücksichtigen sind und dass mehrere in einer Klage oder durch Klageerweiterung geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet werden, § 5 ZPO. Das gilt aber dann nicht, wenn wirtschaftliche Identität zwischen 2 geltend gemachten Positionen besteht.
Hier liegt, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, wirtschaftliche Identität zwischen dem Kündigungsschutzantrag und den Vergütungsansprüchen für die ersten 3 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist vor. Dem Klägervertreter ist zwar zuzugestehen, dass mit dem Zahlungsantrag für diesen Zeitraum ein eigenständiger vollstreckbarer Titel erstrebt wird. Das steht aber der Annahme der wirtschaftlichen Identität nicht entgegen.
Nach § 3 ZPO ist die Festsetzung des Wertes in das freie Ermessen des Gerichtes gestellt. Das Ermessen bezieht sich auf die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes im Einzelfall. Dieses Ermessen ist nicht fehlerhaft ausgeübt worden. Ob Vergütungsforderungen streitwerterhöhend zu berücksichtigen sind, wenn sie gleichzeitig mit der Kündigungsschutzklage geltend gemacht werden, wird für den Fall, dass es sich um Gehaltsforderungen für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung handelt, uneinheitlich beurteilt. Dabei wird einerseits vertreten, dass die Lohnansprüche sonst in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht würden und in einem solchen Fall der Streitwert ohne Berücksichtigung der Kündigungsschutzklage festgelegt werde, andererseits wird die Auffassung vertreten, der Streitwert des Zahlungsantrages habe unberücksichtigt zu bleiben, solange er nicht über den Wert des Feststellungsantrages nach § 42 Abs. 4 GKG hinausgeht. Dieser zweiten Auffassung ist zuzustimmen. Denn der auf Vergütung gerichtete Leistungsantrag stellt lediglich die wirtschaftliche Seite des Feststellungsantrages dar. Jedenfalls in dieser Konstellation ist der Zahlungsantrag nicht eigenständig. Daher kann er wirtschaftlich keine Auswirkung haben. Nicht zuletzt ist der soziale Schutzgedanke des § 42 Abs. 4 GKG (früher: § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG) auch für den Lohnzahlungsantrag zu berücksichtigen, jedenfalls dann, wenn der Zahlungsantrag im Zusammenhang mit einer Kündigung steht. Dabei ist auch das von der Norm verfolgte Ziel, die Verfahrenskosten aus sozialen Gründen zu beschränken, zu beachten. In der Regel wird der Arbeitgeber nach gerichtlicher Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung die Lohnansprüche des Arbeitnehmers erfüllen. Es ist daher somit regelmäßig eine Zahlungsklage nicht mehr erforderlich (LAG Schleswig-Holstein Beschlüsse vom 23.4.2004 - 2 Ta 86/04 -; vom 12.1.2004 - 1 Ta 253/03 -; vom 8.7.2002 - 4 Ta 95/02 -;vom 25.07.2000 - 3 Ta 90/00 -; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 03.08.1998 - 5 Ta 71/98; vom 03.07.1998 - 5 Ta 19/98 -;LAG Nürnberg Beschluss vom 27.11.2003 - 9 Ta 190/03 -NZA-RR 2004,660). Durch die Modernisierung des Kostenrechts haben sich Änderungen dieser Interessenlage nicht ergeben. § 42 Abs. 4 GKG ist identisch mit § 12 Abs. 7 ArbGG. Daher ist an dieser Auffassung festzuhalten
Zu einer gesonderten Bewertung kommt es auch nicht deshalb, weil der Kläger sich auch seine Versetzung an eine andere Niederlassung gewandt hat. Dies hat nicht in einem gesonderten Antrag Niederschlag gefunden. Die Versetzung war ersichtlich nicht Streitgegenstand.
7. Der Antrag auf Erteilung von Auskunft über die in den Monaten Jan. und Feb. 2006 verdienten Provisionen und Prämienzahlungen ist vom Arbeitsgericht mit 500 EUR bewertet worden. Dass hier ein höherer Wert angemessen wäre, ist nicht ersichtlich und vom Klägervertreter auch nicht gefordert.
8. Der Antrag auf Auszahlung der sich nach Auskunftserteilung ergebenden Provisionen, sofern sie monatlich 700 EUR übersteigen, ist mit 500 EUR ebenfalls ausreichend, wenn nicht sogar großzügig, berücksichtigt. Dass der Kläger überhaupt Provisionen in übersteigender Höhe zu erwarten gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.
9. Soweit der Klägervertreter beanstandet, dass die Wertfestsetzung für den Vergleich 3.000 EUR betrage, mag der Beschluss vom 22.5.2006 so zu verstehen sein, dass der Vergleichswert insgesamt mit 3.000 EUR festgesetzt worden sei. Dies ist indes durch das Arbeitsgericht im Nichtabhilfebeschluss klargestellt worden. Der Klägervertreter ist insoweit nicht mehr beschwert.
Zusammenfassend ergibt sich für die Klage ein Wert von 26.580 EUR, nicht 26.860 EUR, wie vom Arbeitsgericht errechnet. Dies wirkt sich jedoch hinsichtlich der Höhe der Gebühren nicht aus und fordert daher nicht eine Korrektur.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen. Die Gebührenfreiheit nach § 33 IX RVG gilt nur für das Verfahren über den Festsetzungsantrag. Im Beschwerdeverfahren fällt eine Gebühr nach Nr. 1811 der Anlage zu § 211 RVG an (LAG Hamburg Urt. v. 30.6.2005 - 8 Ta 5/05 - LAG-Report 2005,352).
Ende der Entscheidung
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